Eine unumstößliche Entscheidung

Bei der Geburt meines Sohnes Marcel, der 1999 zur Welt kam, habe ich mich bewusst gegen das Stillen entschieden. Zu dieser Zeit hatte ich beim Thema Stillen noch andere Ansichten als heute.

Für mich schien es, als sei Stillen irgendwie mit Stress verbunden. Ich dachte, ich könnte das Haus nicht mehr so problemlos verlassen, wie ich es möchte und stünde so etwa beim Einkaufen immer unter Zeitdruck. Ich war der Ansicht, ein Flaschenkind lässt mir Freiräume, da der Vater das Kind betreuen kann.

Elf Wochen nach der Geburt ging ich wieder an zwei Tagen der Woche arbeiten und war der Meinung, bis dahin müsste ich ohnehin abgestillt haben. Diese Meinung war so fest in meinem Kopf verankert, dass ich auch gar nicht bereit war mir zum Thema Stillen etwas anderes anzuhören. Die Zeit verging, mein Sohn war auf der Welt und ich stillte sofort ab. Nach ein paar Tagen sah ich dann doch mit einem neidischen Blick zu meiner Zimmergenossin hinüber. Als wir dann zu Hause waren, stellte ich mir immer öfter die Frage, wie es sich wohl anfühlt, ein Kind zu stillen. Plötzlich bereute ich meine unumstößliche Entscheidung!

Zwei Jahre später erwartete ich wieder ein Kind. Nun stand für mich sofort fest, dass ich stillen möchte. Ich dachte mir, ich versuche es auf jeden Fall.

Als ich dann in der achten Woche schwanger war, erfuhr ich, dass ich Zwillinge bekommen werde. Nun war ich mir doch nicht mehr so sicher, dass mein Stillvorhaben eine richtige Entscheidung sei. Also entschloss ich mich mal wieder zur Flasche. Doch dann in der 28. Woche änderte sich alles schlagartig.

Bei einer meiner beiden Töchter wurde der Tod festgestellt. Was jetzt? Was kann ich für mein lebendes Kind tun? Ich las sehr viel darüber, was das Beste für mein Kind sei. Denn jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, wann sie geboren wird. Und ich wollte ihr doch alles geben, was gut für sie war. Egal was ich las und wo ich es las, immer nur das eine Wort „Muttermilch“ positiv erwähnt. In der 36. Woche war es dann soweit, meine Tochter kam mit einem Geburtsgewicht von 2.100 Gramm zur Welt.

Ich informierte das Klinikpersonal gleich nach der Entbindung darüber, dass ich stillen möchte. Leider war das Personal über Stillen bei solch kleinen Babys nicht ausreichend informiert und man riet mir vom Stillen ab.

Den Rat, nicht zu stillen begründete man damit, dass sie bei ihrem geringen Gewicht beim Stillen zu viele Kalorien verlieren würde. Ich glaubte dies natürlich, was sich im Nachhinein als Fehler herausstellte. „Nun gut“, dachte ich mir, „wenn schon nicht stillen, dann pumpe ich auf jeden Fall ab“, was ich auch umgehend machte. Meiner Tochter ging es auch von Tag zu Tag besser und nach eineinhalb Wochen konnte sie mit mir aus der Klinik entlassen werden. Mein Mann organisierte mir eine elektrische Milchpumpe und ich pumpte weiterhin regelmäßig ab. Zwischendurch versuchten wir meine Tochter immer wieder zum Saugen zu animieren, aber irgendwie gelang es einfach nicht so wie ich es gerne wollte. Meine Milch floss schlecht und unser Baby hatte keine Geduld.

Doch ich konnte endlich spüren, welches Gefühl es ist, wenn ein Kind an der Brust saugt. Und das war einfach nur schön. Dieses Gefühl kann ich nicht in Worte fassen und ich wünsche jeder Mutter, dass sie es erleben kann!

Ich gab natürlich nicht auf und pumpte weiter. Auch beim Pumpen war es leider so, dass meine Milch nicht wie gewünscht floss. Manchmal kam wirklich nur Tröpfchen für Tröpfchen, aber am Ende reichte es immer für eine Mahlzeit. Dass es bei mir nicht so lief, lag mit Sicherheit an meiner Trauer um das verlorene Kind und dem großen Schmerz, den ich verarbeiten musste.

Aber ich war stolz darauf, meiner Tochter nur das Beste, nämlich Muttermilch geben zu können.

Nach zwei Monaten mühseligen Abpumpens wollte ich aufhören. Doch da erhielt ich die Nachricht, dass meine Tochter ein Loch im Herzen hat. Und was war mal wieder das Beste? Muttermilch! Also pumpte ich weiter. Vier Wochen später bekamen wir dann die frohe Botschaft, dass das Loch nicht so gefährlich sei und auch wieder von alleine zuwachsen würde. Ab dem nächsten Tag kam kein Tropfen Milch mehr, obwohl ich keinerlei Abstillmaßnahmen ergriff.

Das Wissen, “ich gebe meinem Kind die wertvollste Nahrung, die es bekommen kann“ machte mir immer wieder Mut zum Weiterpumpen, egal wie mühsam es auch manchmal war. Ich kann jeder werdenden Mutter empfehlen, sich für die Ernährung ihres Kindes mit Muttermilch zu entscheiden.

Heike M. wurde in Ihrer Stillzeit durch die Stillberaterin und Autorin Dora Schweitzer begleitet und unterstützt.  Auszüge aus diesem Stillbericht fanden Eingang in ihren Ratgeber “Stillen”. Mehr Informationen zur Autorin unter: www.doraschweitzer.de

Den Stillratgeber können Sie hier erwerben.

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